Die Reihenfolge der Google-Suchergebnisse kann Wahlen entscheiden. Verhaltenswissenschaftler präsentierten die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie bei der Cebit. Was das für uns und unser politisches System bedeutet…
Google-Suchergebnisse beeinflussen Wahlausgänge. Das hat eine Studie des US-amerikanischen Verhaltensforschers Robert Epstein gezeigt, die er bei der Cebit präsentierte. Im Rahmen der letzten Wahlen in Indien hatte er 2150 noch unentschlossene Wähler untersucht. Ergebnis: Die Reihenfolge der Suchergebnisse verschob die Wählergunst um durchschnittlich 20%. Die Probanden bemerkten dabei nicht, dass ihre politischen Urteile gesteuert wurden. Die Testpersonen wurden nur über einen kurzen Zeitraum beobachtet. „Was wäre aber“, so fragte sich Epstein, „wenn man das Tag für Tag und zugeschnitten auf den Internet-Nutzer tun würde?“
Informationen steuern heißt Entscheidungen steuern
Google steuert unser Verhalten. Das ist mittlerweile traurige Gewissheit. Bei Konsum und E-Commerce liegen uns die Erkenntnisse schon lange vor. Wer Motorrad-Ersatzteile, Garanien-Dünger oder irische Briefmarken kaufen möchte, der findet diese nur mit einer Suchmaschine. Diese Suchmaschine heißt in Deutschland mit einer Wahrscheinlichkeit von 94,84% Google. Und gekauft wird in der Regel, was unter den ersten Treffern auftaucht. Dass Suchmaschinen nun nachweislich auch Einfluss auf unsere politischen Entscheidungen nehmen, kann kaum noch jemanden überraschen. Welche Informationen wir bekommen und wie unsere Medien sie interpretieren, hat zu jeder Zeit Einfluss auf unsere Urteile genommen. Doch Google hat weit mehr Einfluss auf unser Denken, als früher unsere Tageszeitung oder die abendlichen Nachrichten.
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Google ist Monopol-Macht
Fast 95% der Internetnutzer in Deutschland nutzen Google. Außerhalb von Europa ist der Marktanteil nicht ganz so hoch, doch auch weltweit bleibt Google dominant. 1,17 Milliarden Menschen vertrauen weltweit auf das Unternehmen aus Mountain View (Kalifornien). Es ist allen Konkurrenten weit enteilt, und hat eine Monopol-artige Stellung. Ein Monopol ist niemals eine gute Nachricht, weil es Wettbewerb verhindert und so letztlich die Verbraucher schädigt. Doch ein Monopol in einem so wichtigen Bereich wie der Suchmaschinenbranche ist gefährlich für die Demokratie und die freie Gesellschaft an sich. Denn hier bestimmt ein einziges Unternehmen welche Informationen die Gesamtheit der Internetnutzer zu sehen bekommt, und kann damit deren politische und gesellschaftliche Willensbildung steuern. Es besteht die Gefahr, dass ein solch immenser Einfluss missbraucht wird. Denn das Unternehmen könnte beispielsweise auch Google-kritische Stimmen benachteiligen.
Google verhindert Meinungsvielfalt
Menschen klicken gerne solche Medienseiten an, die ihrer politischen Anschauung entsprechen. Das wäre an sich auch nicht problematisch. Wie wir jedoch seit geraumer Zeit wissen, legt Google über jeden User ein Profil an. So können ihm bei einer Suche genau die Seiten angeboten werden, die ihn persönlich interessieren. (und nebenbei wird ihm auch gezielte Werbung eingeblendet) Für politische Inhalte hat dies jedoch eine fatale Bedeutung: Google wird einem User bevorzugt politische Themen und Meinungen präsentieren, die seinen Vorlieben entsprechen. Abweichende Meinungen bekommt er womöglich nicht mehr zu Gesicht. Dabei war es doch eigentlich gerade der Vorteil des Internets, Zugriff auf ganz verschiedene Informationsquellen und Deutungen zu bekommen. So konnte sich jeder User ein umfassendes Bild machen. Mit Googles Dominanz auf dem Informationsmarkt könnte dies bald ein jähes Ende finden.
SEO bestimmt die Sichtbarkeit
Google legt bestimmte Kriterien fest, nach denen es Internet-Seiten bewertet. Entspricht eine Seite diesen Kriterien, erscheint sie weit vorne in den Ergebnisse. Weil sich mit gut platzierten Seiten viel Geld machen lässt, ist deswegen eine ganze Branche entstanden, die Websites nach Googles Kriterien optimiert. Für politische Inhalte bedeutet das jedoch: Medien, die viel Geld in Suchmaschinenoptimierung investieren können, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit in der Google-Suche gut platziert zu werden. Auch welche politischen Informationen und Deutungen die Mehrzahl der User sieht, ist also mit Geld indirekt steuerbar. Ergebnis: Der Einfluss, den Unternehmen, Behörden, Gewerkschaften oder politischen Parteien auf das öffentliche Meinungsbild und damit auf politische Prozesse ausüben können, hängt vielleicht bald nicht mehr davon ab, wie plausibel ihre Lösungsvorschläge sind, sondern davon wie viel Geld sie für SEO mobilisieren können.
Wohl dem, den Google unterstützt…
Google kooperierte seit jahrelang mit Regimen, deren politische Legitimität mehr als fragwürdig ist. In China unterstützte Google die staatliche Internetzensur. Stichworte wie „Meinungsfreiheit“ oder „Demokratie“ lieferten in der chinesischen Version von Google nur Regierungs-konforme Treffer. Das beweist, dass Google zur Wahrung seiner Geschäftsinteressen auch zur Kooperation mit Demokratie-feindlichen politischen Akteuren bereit ist. Die Steuerung von Informationen und politischen Inhalten wurde hier bereits eingesetzt. Und wie man nach den neuen Studienergebnissen fürchten muss: Mit viel Erfolg.
Der Einfluss von Google ist nicht erkennbar
Wer in früheren Zeiten eine Zeitung las, der wusste welcher politischen Couleur die Zeitung zuzuordnen war. Bei der Beurteilung der Inhalte konnte er dies miteinbeziehen. Doch welche Suchergebnisse Google liefert, wird von den wenigsten Usern hinterfragt. Für einen Google-Suchenden ist nicht ersichtlich, dass die Ergebnisse, die er gerade liest gefiltert sein könnten. Gerade hierdurch steuert Google unser politisches Denken auf eine viel gefährlichere und subtilere Weise: Weil Google nicht selbst Informationen und Deutungen liefert, sondern Medieninhalte kompiliert, zusammenstellt und filtert, prägt es unsere Meinungen viel raffinierter. Googles Einfluss ist dabei kaum mehr nachzuvollziehen.
Schöne neue Welt
Eine freie und demokratische Gesellschaft ist auf eine bunte und vielfältige Medienlandschaft angewiesen. Nur wo verschiedene Standpunkte miteinander verglichen und diskutiert werden können, kann sich ein demokratischer Konsens bilden. Die Suchmaschinen bilden im heutigen Internet die zentrale Schnittstelle, die bestimmt welche Medieninhalte wahrgenommen werden und welche nicht. Und eben diese Schnittstelle wird gegenwärtig von einem einzigen Monopolisten beherrscht, einem Monopolisten, der in der Vergangenheit bereits im Dienste undemokratischen Regime Informationen gezielt gesteuert hat. Wer da Angst um unsere freiheitlich demokratische Grundordnung bekommt, dem kann man sagen: „Erst jetzt?“